Veränderung gestalten
autodafeu.transformierungen heißt: Veränderung gestalten. Charlotte Buff bearbeitet im Rahmen dieses Projektes eine Auswahl ihrer hauptsächlich in den 1990er Jahren entstandenen Objekte neu und formt aus den Verbrennungsergebnissen neue Kunstobjekte.
In der performativen Aktion autodafeu verbrannte die Künstlerin im Mai 2008 auf dem Johannes-Selenka-Platz vor der Hochschule der Bildenden Künste (in der Charlotte Buff 1985 bis 1991 bei Emil Cimiotti und Georg Kiefer Freie Kunst studierte) in Braunschweig die ersten drei Großobjekte aus Papier. Die Aktion war Beginn einer kreativen Praxis, die als persönliche aber auch formale Wandlung, als permanenter Veränderungsprozess begriffen und gestaltet wird. transformierung 1 zeigt die Ergebnisse der ersten Projektphase, der weitere folgten. Die Transformierung einer Transformierung ist aktuell in der Ausstellung „Melencholia und Melanchronia“ in Lage Egal, Berlin, Danziger Str. 145 zu sehen.
Charlotte Buff und Robert Becker bei der Ausstellungseröffnung von "Melencholia und Melanchronia" am 21.10.2011 in Lage Egal, Berlin
Der Ursprung des Wortes autodafé stellt einen Glaubensakt oft in den Kontext von Verbrennungen. Das Wort „Feuer“ wird im Titel des Kunstprojekts mit der Akzentuierung des französischen Wortes „feu“ betont. Damit ergibt sich für das Projekt eine Bedeutungsverschiebung: Die künstlerische Aktion des autodafeu findet mit Bezug auf das autodafé nicht als Glaubensakt, sondern als Auflösungsakt fixierter Formen statt. Das Wort betont die Tatsache, dass es sich im Autodafeu-Geschehen um Produktion im Rahmen einer künstlerischen Werkstatt handelt.
Mit dem Projekt autodafeu.transformierungen setzt Charlotte Buff ihre Auseinandersetzung mit dem ReCyclieren von Formen und Materialien fort, dem sie sich seit den 1980er Jahren widmet. Ihre Werke sind Variationen von Auflösung und Erneuerung, Versionen in einem Prozess gestalteter Veränderung. Fraktalisierung und ReFormierung von Fraktalen zu Formen, ReCyclieren von Formen und Materialien: „Verbrennungsreste“ (zum Beispiel Asche, Schlacke, Draht) werden zu neuen Formen verarbeitet (Photos, Filmbilder, Objekte).
Es handelt sich bei dem Autodafeu Charlotte Buffs also nicht um eine Tilgungsaktion auf einem Scheiterhaufen. Es handelt sich auch nicht um ein mit Bedeutung und Bedeutsamkeit aufgeladenes Fanal. „Autodafeu“ wird vielmehr zur Bezeichnung der Formauflösung von Objekten und Installationen verwendet, bei denen formale und materiale Effekte des Verbrennungsprozesses (Feuerschein/Rot/Licht) und seine „Reste“ (Asche/Schwärze/Dunkel) als Medien genommen und zu neuen Formen verarbeitet werden: Bearbeitungen von Photos und Filmaufnahmen der Verbrennung und ihre Verdichtung zu plastischen Objekten.
Charlotte Buff, Performance Autodafeu, Braunschweig, Platz vor der Hochschule der Künste, 23. Mai 2008
Das Projekt autodafeu.transformierungen findet 2008 bis 2011 in Braunschweig und Berlin statt, Wirkungstätten der Künstlerin, deren Arbeiten oft Bezug auf den historischen und öffentlichen Raum nehmen. Die Objekte, die im Laufe des Projekts zum Material der Transformierungen werden, sind selbst (als ReFormationen und TransFormationen) schon Resultate Materialbearbeitung und formaler Durcharbeitung. Im Wandlungs- und Verwandlungsprozess von autodafeu.transformierungen durchlaufen sie neue Entwicklungs-, Auflösungs- und Bildungsstufen. Die Resultate sind vielfältig: Die vollständige Verbrennung selbst wird zur Performance, im Verglühen der Objekte werden diese zu augenblickshaften Flammenskulpturen, die sich sogleich in kurzlebige Armaturinstallationen verwandeln. Ausschnitte (oder Fraktale) des Geschehens umfassen wiederum Ausschnitte: Ascheflugmomente oder das Zerfallen von Ascheknäueln.
Schon die Verbrennung selbst ist ein Transformierungsgeschehen, dem Charlotte Buff durch die Schaffung des Rahmens (z. B. Ortswahl, beteiligte Personen, zeitlicher Ablauf, Wahl der Kunstwerke) Spielraum gibt. Zugleich aber werden durch den Einsatz von Instrumenten (Fotoapparat, Filmkamera, Kehrblech, Personen) Produktionsergebnisse (Bilder, Lichtsequenzen, Asche, Drahtverschlingungen) gesammelt und für die weitere Transformation und Transposition vorbereitet. Die „Performance“ erweist sich als „Atelierbesuch“, als Möglichkeit der öffentlichen Teilhabe am Bearbeitungsgeschehen. „Autodafeu“ wird zur Bezeichnung eines „Werks“ als Produktionsraum und Produktionsgeschehen (als einer Art „Objektschmiede“), in denen die „Reste“ und „Aufnahmen“ des Bearbeitungsprozesses sich als Rohstoff und Zwischenstufen für Fertigung und Herstellung erweisen: Material, Materialisierungen, Materialformen, Formmaterialien, Formformen, Formen.
Wo in diesem Prozess bleiben die Kunstwerke als Endresultate eines Gestaltungsprozesses? Sind es die Ergebnisse des Transformierungsgeschehens, die neu entstandenen Objekte (Fotos, Filme, Objekte, Installationen), die zum Beispiel die Ausstellung im Allgemeinen Konsumverein Braunschweig im Oktober 2008 versammelt? Es ist möglich, aber nicht sicher. Denn der Blick auf Charlotte Buffs Arbeiten zeigt, wie schnell Kunstmomente und Kunstwerke zum Ausgangsmaterial neuer Formen und Ausstellungsräume zu „Zwischenlagern“ im Rahmen eines Umwandlungsprozesses werden können. Vergehen, Geschehen und Entstehen sind untrennbar miteinander verbunden. Sollen Ergebnisse dieses Prozesses bewahrt werden, so besteht wohl die Notwendigkeit, sie ihm zu entziehen. Was ein ganz anderes Licht auf die Frage der Entäußerung von Kunst oder die Notwendigkeit ihres Erwerbs wirft.
Objekte von Charlotte Buff werden ab November 2011 im Showroom des Verlages gezeigt, Prints und ePublikationen zu ihren Arbeiten werden in Kürze erscheinen.
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